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Grüner Champagner

Grüner Champagner

 

Kurzgeschichte

Elvira verbrachte ihren Urlaub an der französischen Riviera. Von dort rief sie ab und zu ihre Freundin Christa in Berlin an, um ihr von ihren Urlaubserlebnissen zu berichten. Während ihres letzten Anrufes erwähnte sie begeistern Grünen Champagner.

Das ist doch Quatsch. Es gibt keinen grünen Champagner.

Doch, glaube mir. Ich muss Dir das genau erzählen, wenn ich zurück bin.

Nein, erzähle doch jetzt gleich.

Das würde zu lange dauern. Außerdem habe ich jetzt noch eine Verabredung.

Schade. Na, Du kommst ja bald.

Ein paar Tage später ist sie zurück. Christa holt sie am Flughafen ab. Sie umarmen sich.

Du siehst gut erholt aus, wirklich, ich bin neidisch.

Wärst Du doch mitgekommen!

Du weißt doch, dass das nicht möglich war.

Du siehst chic aus. Neue Bluse?

Habe ich schon ein paar Tage. Komm, wir fahren zu Charles.

„Chez Charles“ ist ein Bistro mit mediterranem Ambiente.

Christa fährt und drängelt:

Nun erzähle schon. Was hast Du alles erlebt?

Gut, dass wir bei Charles sind. Sonst wäre die Umstellung zu krass. Es war wie im Jenseits!

Die Freundinnen sitzen im „Chez Charles“ an einem Fenstertisch. Prosecco.

Christa prostet Elvira zu. Ich bin ganz Ohr! Wie im Jenseits? Wer ist der Adam? Und was ist das für eine Geschichte mit dem grünen Champagner?

Elvira schaut verträumt auf ihr Glas.

Prosecco ist ja gut. Aber das absolut Andrehende ist Champagner, grüner Champagner.

Du sollst mir jetzt nichts vortrinken oder von französischen Getränken erzählen. Erzähle mir lieber Deine Erlebnisse. Ich bin irre neugierig.

Also gut. Ich habe Jean-Jacques kennengelernt

Ein richtiger Franzose?

Es waren natürlich viel Deutsche da, in Nizza. Aber ich wollte keinen Kontakt zu Deutschen. Ein bisschen französisch kann ich ja noch. Das wollte ich probieren. Jean-Jacques habe ich schon am ersten Abend gesehen.

Wie sieht er aus?

Etwas größer als der Durchschnitt, schwarze Haare, dunkelbraune Augen mit Einblick in die Seele.

Das scheint ja ein Volltreffer zu sein. Warst du viel mit ihm zusammen?

Es war einfach toll – und stelle dir nur vor – er arbeitet für seine Firma aus Paris in Berlin. Er hat noch eine Woche Urlaub. Dann wird er hier sein. Ich kann es kaum aushalten.

Das ist ja nicht normal. Hast du ein Glück! Und was habt ihr zusammen unternommen?

Er kennt sich gut aus an der Côte d’Azur und in Nizza.

Keine Umschweife. Hat er Dir nur die Stadt gezeigt?.

Entschuldigung, aber ich schwärme immer noch. Jean Jacques hat mir den Parc Phoenix – den botanische Garten -  gezeigt, dort werden sieben tropische Klimazonen präsentiert. Er kann so gut erklären. Und dann dieser Champagner. Hast du jemals grünen Champagner gesehen und getrunken?

Ich bin ja wirklich keine Fachfrau, aber grünen Champagner gibt es nicht. Es gibt en Grünen Veltliner aus Österreich. Aber das ist das einzige Getränk, was ich mit grün in Verbindung bringe. Und grüner Tee.

Christa lacht und bestellt noch zwei Gläser Prosecco.

Also, ich erzähle es Dir jetzt genau. Jean Jacques hat mich zu einem Ausflug eingeladen. Nach Saint Paule de Vence. Von dort blickt man weit über das Meer. Wir saßen auf der Terrasse eines kleinen Restaurants. Mächtige Bäume schützten uns vor den direkten Sonnenstrahlen und Jean-Jacques bestellte als Aperitif Champagner. Er erklärte mir, dass er jeweils den ersten Schluck nach einer kleinen Behandlung – es hörte sich ein wenig lustig an – Be-andlüng – trinken würde. Jedenfalls leuchtete der Champagner unter seiner Hand grün. Es war faszinierend.

Und was habt ihr geredet?

Stelle dir nur vor, er hat mir die Augen geöffnet.

Wie, was hat er dir getan? Ist er frech geworden?

Nein, nein, es geht um die schlanken Frauen. Er hat mir erklärt, warum die meisten Frauen in Frankreich schlanker sind als in Deutschland.

Aha, und woran liegt es?

Es ist ganz einfach. Sie essen nicht, sie genießen. Wenn der Reiz des Genusses eines Mehr-Gänge-Menüs sich dem Höhepunkt nähert, hören sie mit dem aktuellen Gang auf und wenden sich dem nächsten zu. Das Motiv ist nicht die Sättigung, sondern der Genuss in Stufen. Dazu nehmen sie natürlich oft Champagner.

Das muss man sich leisten können. Ich könnte das nicht.

Das ist in Frankreich doch anders. Andere Sitten eben.

Mit grünem Champagner. Das kann ich nicht glauben.

Doch unter seiner Hand. Wie ein kleiner Zauber.

Ich glaube, dass Du verzaubert bist von Deinem Jean-Jacques. Ich gönne es Dir. Ist er denn auch immer brav gewesen, oder hat er versucht, Dich zu bedrängen?

Er ist nicht nur ein gut aussehender und sympathischer Mann. Er ist ein Kavalier. Er hat die Autotür aufgehalten, den Stuhl für mich an den Tisch geschoben, mir die Hand geküsst, auch am Abend, wenn es schon etwas später war und wir nach dem Essen noch etwas getrunken hatten. Er freut sich auf ein Wiedersehen in Berlin.

Dann will ich ihn kennen lernen. Und sehen, wie er zaubert. Grüner Champagner.

Christa lacht und prostet Elvira zu. Sie bringt Elvira zu ihrer Wohnung.

Die beiden Freundinnen verabreden, dass sie sich spätestens wieder sehen werden, wenn Jean-Jacques in Berlin ist.

Wir können ja heute Abend telefonieren. Wenn Du mit deinem Jean-Jacques zu Ende geturtelt hast. Und wenn er in Berlin ist, dann lässt Du ihn zaubern. Den grünen Champagner. Am besten Chez Jacques.

Mit diesen Worten verabschiedet sich Christa.

Elvira ist glücklich. Sie öffnet alle Fenster in ihrer Wohnung, spürt mit wohligem Empfinden die bewegte Luft und summt vor sich hin. Sie hat überhaupt keine Lust aufs Fernsehen und gibt sich ihren Träumen an ihren Urlaub hin. Sie freut sich auf die baldige Begegnung mit Jean-Jacques. In einer Woche.

Die Maschine landet pünktlich im Flughafen Tegel. Jean-Jacques sieht wirklich gut aus, denkt Elvira und lässt sich gerne von ihm in den Arm nehmen. Sie fährt mit ihm zum Bistro Chez Jacques. Unterwegs erzählt sie ihm von ihrer Freundin Christa. Sie sei neugierig, wie der grüne Champagner schmeckt. Sie sollten doch zusammen ein Glas trinken. Der Abend würde dann nur ihnen gehören.

Jean-Jacques hört etwas irritiert zu, als sie von grünem Champagner spricht, aber seine Höflichkeit verbietet ihm, noch während der Fahrt auf die Frage nach dem grünen Champagner einzugehen.

Glücklicherweise ist ein Fenstertisch bei Chez Charles frei. Christa gesellt sich kurz nach dem Eintreffen von Elvira und Jean-Jacques hinzu. Champagner wird serviert. Jean-Jacques übernimmt den Service. Nachdem die Gläser gefüllt sind, senkt er seine Hand über sein Glas und führt eine Drillbewegung über dem Glas aus. Elvira schubst Christa an.

Schau doch! Es ist grün. Grüner Champagner.

Jean-Jacques schaut erstaunt auf.

Ja, aber nur einen Moment. Mein Sektquirl ist aus blauem Glase. Und mit dem goldfarbenen Champagner gibt es einen grünen Schein. Ich mag nur wenig von den Champagnerperlen. Sehr zum Wohle!

   

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